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QuadrigaCX - Bitcoins: Unerwartete Fortsetzung des größten Kryptokrimis des Internets


Manche Geschichten beschäftigen mich über Jahre, egal, wie oft ich auch denke: Das war’s jetzt aber wirklich. Und ich meine in diesem Fall gar nicht netzpolitische Zombies wie die Vorratsdatenspeicherung, die wohl erst sterben darf, wenn es keine Innenministerien mehr gibt. Sondern Fälle wie QuadrigaCX.

Zuletzt schrieb ich im Juli 2020 einen ausführlichen Bericht über die kanadische Kryptohandelsbörse und ihren 2018 plötzlich verstorbenen Gründer und Millionenbetrüger Gerry Cotten . Zur Erinnerung: Cotten starb im Alter von 30 Jahren auf einer Indienreise, wo er angeblich ein Waisenhaus eröffnen wollte. Zunächst hieß es, er habe die privaten Schlüssel zu den Kryptoeinlagen seiner Kundschaft mit ins Grab genommen. Umgerechnet in Euro soll das eine insgesamt neunstellige Summe gewesen sein, alles weg, für immer.

Weil es haufenweise dermaßen filmreife Ungereimtheiten gab, dass es mittlerweile sogar eine Netflix-Doku über den Fall  gibt, kam bei manchen der Verdacht auf, Cotten habe seinen Tod vorgetäuscht, um sich mit dem Vermögen aus dem Staub zu machen. Sogar die Forderung der Gläubiger nach seiner Exhumierung stand im Raum. Ich habe damals drei beteiligte Stellen kontaktiert, um herauszufinden, ob Cottens Grab wirklich geöffnet wurde. Niemand wollte es bestätigen.

Doch dann stellte sich heraus, dass die sogenannten Cold Wallets, zu denen nur Cotten die privaten Schlüssel haben sollte, allesamt so gut wie leer waren. Und zwar schon neun Monate vor Cottens Tod. Er hatte die Einlagen der QuadrigaCX-Kunden schlicht verzockt. Nach und nach legten die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young und Ermittler offen, wie Cotten ein Schneeballsystem aufgebaut hatte, das zum Zeitpunkt seines Todes kurz vor dem finalen Kollaps stand. Immerhin 46 Millionen der insgesamt 215 Millionen kanadischen Dollar, die QuadrigaCX anderen schuldete, konnte Ernst & Young noch auftreiben. Der Rest schien verloren. Das war das Ende der Geschichte, jedenfalls glaubte ich das. Bis jetzt.

Symbolische Bitcoin-Münzen: Wer versucht, sich unerkannt 1,6 Millionen Euro unter den Nagel zu reißen?

Symbolische Bitcoin-Münzen: Wer versucht, sich unerkannt 1,6 Millionen Euro unter den Nagel zu reißen?

Foto:

DADO RUVIC / REUTERS

Denn eine Art Nebenstrang der Geschichte hat plötzlich noch einmal Fahrt aufgenommen. Im Februar 2019, also kurz nach dem Start der Untersuchungen und drei Wochen nach der Bekanntgabe des Todes von Gerry Cotten, hatte Ernst & Young mitgeteilt, dass es zu einem Missgeschick gekommen war. Was damals noch von QuadrigaCXs Management übrig war, hatte demnach am 6. Februar versehentlich 103 Bitcoins auf die fast leeren Cold Wallets transferiert, auf die allein Cotten Zugriff gehabt hätte.

Der Vorfall war damals kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Gläubiger-Stein, denn die 103 Bitcoins waren umgerechnet nur rund 468.000 kanadische Dollar wert. Aber: Sie galten damit als unzugänglich. Wie es zu dem Versehen kam und wer im Einzelnen dafür verantwortlich war, schrieben die Wirtschaftsprüfer nicht.

Seither lagen die Bitcoins jedenfalls in den Cold Wallets, es hatte ja, so die Annahme, niemand die privaten Schlüssel dazu. Aber am vergangenen Freitag wurden plötzlich 104,34 Bitcoins aus genau diesen Wallets an mehrere andere Wallets transferiert. Niemand weiß, von wem und an wen.

Offensichtlicher Verschleierungsversuch

VIDEO: QuadrigaCX: The Biggest Cryptocurrency Scam Explained
First Gear Productions

Es sieht ganz danach aus, als sollte das aus Sicht des Verursachers oder der Verursacher auch so bleiben. Denn 69 Bitcoins wurden sofort an einen sogenannten Mixer geleitet. Das sind Dienste, die Kryptowährungstransaktionen aufteilen und mischen, sodass am Ende zwar jeder Nutzer wieder ungefähr die gleiche Summe hat, aber nicht mehr dieselben Bitcoins. Mit anderen Worten: Mixer dienen zur Verschleierung.

Ernst & Young hat die Transaktionen nicht durchgeführt oder autorisiert, berichtete als erstes »CoinDesk« . Warum sollte eine solche Firma auch einen Mixer nutzen? Aber wer war es dann? Wer hat doch noch Zugriff auf die Cold Wallets von Gerry Cotten und wie lange schon? Und wer versucht gerade offenbar, sich umgerechnet gut 1,6 Millionen Euro unter den Nagel zu reißen?

Blockchain-Analysen werden möglicherweise irgendwann helfen, das Mysterium zu lösen, Mixer hin oder her. Die Detektive in solchen Krimis behalten die Bitcoin-Wanderungen von einer Wallet in die nächste im Blick, ihre Methoden werden immer besser. Ich bin sicher, dass wir 2023 viel davon lesen werden. Falls Sie übrigens noch ein Last-minute-Weihnachtsgeschenk für Nerds suchen: Der großartige US-Journalist Andy Greenberg hat gerade ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht, es heißt »Tracers in the Dark« .

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Ich wünsche Ihnen eine friedliche und besinnliche Woche,

Patrick Beuth

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Author: David Williams

Last Updated: 1702658642

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