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Nichiren, ein Erneuerer des Buddhismus, ist der Sofort-Buddha


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Nichiren beim Wundertun: Auf dieser Abbildung von Utagawa Kuniyoshi von etwa 1835 ist eindrucksvoll zu sehen, wie er die brausende See beruhigt. Imago Images

Nichiren beim Wundertun: Auf dieser Abbildung von Utagawa Kuniyoshi von etwa 1835 ist eindrucksvoll zu sehen, wie er die brausende See beruhigt. Imago Images © IMAGO/piemags

Eine Erinnerung an Nichiren, den Erneuerer des japanischen Buddhismus.

Wie Jesus als Jude geboren wurde und als Jude starb und doch als Begründer des Christentums betrachtet wird, so blieb der japanische Reformer Nichiren (1222–1282) sein Leben lang Mitglied der Tendai-Schule des Buddhismus und wird doch von seinen Anhängern und Anhängerinnen als Begründer des Nichiren-Buddhismus betrachtet. Wir sprechen gerne von „dem“ Buddhismus, aber es gab und gibt eine Unzahl buddhistischer Strömungen, zwischen denen es immer wieder auch zu heftigen Auseinandersetzungen kam.

Die Zeiten waren ungemütlich. Die Mongolen standen auf der anderen Seite des Meeres und drohten damit, auch Japan zu erobern – wie sie es schon mit China getan hatten. Im Herrscherhaus stritt man darüber, wer künftig das Sagen haben sollte. Feudalherren übten sich in Aufständen. Zahlreiche buddhistische Gruppen erklärten damals, der Weise ziehe sich zurück aus dem irdischen Schlamassel und bereite sich auf eine Wiedergeburt in einer besseren Welt vor. Nichiren dagegen erklärte, die Befreiung, die Erleuchtung könne auch schon in diesem Leben erreicht werden.

Eine Zwischenbemerkung sei an dieser Stelle gestattet. Wir unterscheiden streng zwischen „Erleuchtung“ und „Aufklärung“. Wir täten jedoch gut daran, in beiden Wörtern immer auch das jeweils andere mitzuhören. Sie sind immer wieder zusammen gedacht worden. Und seine Emphase hat der Begriff „Aufklärung“ doch daher, weil in ihm immer auch die „Erleuchtung“ mitschwingt.

Als Gründungstag von Nichirens Lehre wird der 28. April 1253 betrachtet. Am frühen Morgen dieses Tages soll er das erste Mal das Mantra „Nam Myoho Renge Kyo“ rezitiert haben. Es stammt aus dem Lotos-Sutra. Wer wissen möchte, was das Mantra bedeutet, der stößt unter anderem auf folgende Übersetzungen: „Ich widme mich dem wundervollen Dharma des Lotos-Sutra“ oder „Ich widme mich dem mystischen Gesetz von Ursache und Wirkung“ oder „Gepriesen sei das wunderbare Lotos-Sutra!“ Wer jemals in Indien war, der wird sich daran erinnern, wie er manchmal mit gefalteten Händen und einer leichten Verbeugung mit „namaste“ begrüßt wurde. Das ist das „Nam“, mit dem Nichirens Mantra beginnt.

Nichirens Botschaft war: Jeder kann die Buddhanatur in sich befreien und so noch in diesem Leben zu Buddha werden, wenn er nur das Mantra richtig rezitiert. Man kann sich das auf der einen Seite gar nicht mechanistisch genug vorstellen. Gebetsmühlen hat es stets und in allen Religionen gegeben.

Auf der anderen Seite steht die Erfahrung, dass es immer wieder schiefgeht. Viele, ja die meisten schaffen es nicht. Es ist schwer zu sagen, wie die verschiedenen Schulen des Nichiren-Buddhismus mit dieser Enttäuschung umgingen oder heute umgehen. Man kann allerdings in diesem Zusammenhang daran denken, dass die verwinkelten Gebäude der christlichen Theologie am Ende auch nichts anderes sind als Versuche, sich die Parusie-Verzögerung – also das beharrliche Ausbleiben der Wiederkehr Christi und der endgültigen Erlösung von der Weltgeschichte – zu erklären.

Nichirens Versprechen ging ja weiter als das unseres christlichen Erlösers. Nicht nur sollte jedem Menschen die Möglichkeit offenstehen, noch zu seinen Lebzeiten erlöst zu werden, sondern jedes Lebewesen – so lehrte Nichiren – habe diese Chance. Seine Anhängerschaft wurde immer größer, also wuchs auch die Zahl derer, die ihn und seine Lehre scharf ablehnten.

Nichiren wurde verbannt und verbrachte die letzten acht Jahre seines Lebens auf dem Berg Minobu in der heutigen Präfektur Yamanashi. Nach dem gregorianischen Kalender starb er am 14. November 1282. Die Tradition der meisten Nichiren-Gemeinschaften datiert seinen Tod aber auch in den westlichen Kalendern auf den 13. Oktober 1282. Darum sei heute an ihn als einen der bedeutendsten japanischen Erneuerer des Buddhismus erinnert.

Vor mir liegt die im Herder Verlag erschienene, fast 1600 Seiten umfassende Sammlung „Die Schriften Nichiren Daishonins“. Ich lese darin: „Nam-Myoho-Renge-Kyo. Frage: Kann man ohne die Bedeutung des Lotus-Sutra zu verstehen, allein durch das Rezitieren der fünf bzw. sieben Schriftzeichen Nam-Myoho-Renge-Kyo – einmal am Tag, einmal im Monat oder einfach einmal im Jahr, einmal im Jahrzehnt oder einmal im Leben – vermeiden, geringfügige oder schwerwiegende Verfehlungen zu begehen? Antwort: Ja, das ist möglich ... Wenn man das Wort eingelegte Pflaumen bloß hört, läuft einem schon das Wasser im Munde zusammen. Selbst im Alltag gibt es solche Wunder – doch wie viel größer erst sind die Wunder des Lotos-Sutra! Man berichtet uns von Papageien, die im Himmel wiedergeboren werden konnten, nur weil sie die Vier Edlen Wahrheiten der Hinayana-Lehren zwitscherten.“ Wie viel effizienter erst muss die Rezitation des Mantras aus dem Lotos-Sutra sein, meint Nichiren.

Wer nur Erbauung sucht, ist bei Nichiren an der falschen Adresse. Der buddhistische Heilige liebt die Polemik. Der Satz über die Papageien, die die Hinayana-Lehren zwitschern, erschließt sich erst dem, der begriffen hat, wie sehr Nichiren sie verachtet. Hinayana heißt so viel wie kleines oder auch minderes Fahrzeug. Die Mahayana-Buddhisten, die des großen Fahrzeugs also, nannten die anderen so, eine diffamierende Bezeichnung.

Wir erinnern uns, daran, dass die Bolschewiki sich selbst als die Mehrheit bezeichneten und die weitaus zahlreicheren Menschewiki als Minderheit. Mit „es geht de Mensche wie de Leut“ pflegt man in Frankfurt so etwas zu kommentieren.

Der Text, aus dem ich bisher zitierte, „Das Daimoku des Lotos-Sutra“, soll aus dem Jahr 1266 stammen. Thomas von Aquin begann damals mit der Arbeit an seiner „Summa theologiae“. Nichirens Text war ein Brief an eine „Frau fortgeschrittenen Alters, die erst kürzlich den Glauben an den Buddhismus Nichiren Daishonins angenommen hatte“. Auf den letzten Seiten seines Textes beschäftigt sich Nichiren mit dem Verhältnis der buddhistischen Tradition zu den Frauen. In frühen Texten hatte der Buddha, so Nichiren, über Frauen erklärt: „Sie sind Botinnen der Hölle, die die Samen der Buddhaschaft zerstören können. Sie mögen aussehen wie Bodhisattvas, doch in ihren Herzen gleichen sie Yaksha-Dämonen“. An anderer Stelle erklärte der Buddha: „Würde man alle Begierden und Illusionen aller Männer im gesamten Großweltsystem sammeln, wären sie zusammen nicht größer als das Hindernis des Karma in einer einzigen Frau.“

Nichiren schreibt weiter: „Doch obgleich alle weiblichen Wesen in den verschiedenen Sutras so gering geschätzt wurden, konnte eine Frau auf der Stelle Buddha werden, als Bodhisattva Manjushri das eine Schriftzeichen Myo aussprach.“ Dieses eine Ereignis widerlegte die Lehren der Sutras. Es zeigte auch, dass die anderen Sutras nichts wert sind. Allein das Lotos-Sutra bewirkt den Instant-Buddha. Nichiren schreibt: „Der Buddha sagte: ‚Fünfzig Jahre lang habe ich verschiedene Lehren dargelegt; sie alle sollten den Lebewesen Nutzen bringen. In den Sutras der ersten zweiundvierzig Jahre lehrte ich, dass es für Frauen unmöglich sei, die Buddhaschaft zu verwirklichen. Doch mit dem Lotos-Sutra erkläre ich nun, dass Frauen Buddha werden können.‘“

Ich mag diesen Passus, in dem Buddha Selbstkritik übt, Rechenschaft ablegt von seinen Irrtümern. Der Weg zur Hölle mag mit guten Vorsätzen gepflastert sein, der zur Wahrheit führt durch die Irrtümer hindurch. Auch für einen Buddha.

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Author: Jennifer Glenn

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